es ist immer gleis dreizehn
Neben mir stehen eng umschlungen ein junges Mädchen und ihr Freund. Als die Zugeinfahrt verkündet wird, nimmt ihr Gesicht jenen Ausdruck an, den auch ich bis vor einigen Monaten an so manchem Sonntagnachmittag am Düsseldorfer Hauptbahnhof nicht vermeiden konnte: den des verkrampften Abschiedsschmerzes. Wenn man versucht, die Tränen zu unterdrücken und man dominiert wird vom überdimensionierten Verlust, den Bahnsteige gerne vorgaukeln und welcher sich erst auf dem allein stattfindenden Nachhauseweg wieder etwas relativert. Es bedarf einer guten emotionalen Konstitution, diese Situation in der Hosentasche wegstecken zu können und meist gelingt dies nur den davonreisenden Männern, weil sie nicht diejenigen sind, die zurückgelassen werden, sondern sich aufschwingen in ein anderes Leben. Auch der junge Mann auf dem Bahnsteig in Berlin vergiesst keine Träne. Er ist derjenige mit der Reisetasche.
Ich schaue weg, weil es mich zu sehr anrührt. Und ich empfinde tiefe Dankbarkeit darüber, dass ich mich bezüglich der romantischen Liebe momentan fühle wie eine leergewischte Tafel. Natürlich, Staub und genügend Striche bleiben immer hängen und manchmal dringt die Farbe aufgrund chemischer Sonderbarkeiten sogar ein und bleibt für immer, aber es gibt sehr viel Raum für Neues und man kann sich überlegen, wann man damit beginnt, erneut rote Herzen auf das Tafelgrün zu malen.
Zurzeit habe ich alle Kreiden verliehen. Sie werden woanders dringender benötigt.
[maike]
gesehen - 16.Okt.2007, 23:30
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